Im Gespräch – Dr. Alfred Hochrein

IM GESPRÄCH MIT

SKATEMEDIC
DR. ALFRED HOCHREIN

Yo, Alf! Beziehungsweise, Doktor Alf? Oder wie sprechen dich die meisten Patienten an? Kommt auf die Patientengruppe an, entweder man kennt mich primär als “Dr. Hochrein“ oder man kennt mich eh schon als “Alf”. Da ändert sich meistens nicht viel. Wobei ich auch schon neue Patienten in der Praxis hatte, die meinten „der Spitzname Alf passt zu Ihnen”. Die hatten sich wohl über mich informiert…

Ok, Dr. Hochrein! Du bist ja mittlerweile in München bekannt als der „Skatemedic“. Wer ist der bekannteste Skater, den du schon aufgeschlitzt hast? Ich weiß, ärtztliche Schweigepflicht und so. Aber wir sind ja unter uns, hehe…Haha…tatsächlich: Schweigepflicht. Wobei man es von den Bekanntesten, glaube ich, eh aus anderen Medien weiß.

Im Gespraech-Skatemedic Dr. Alfred Hochrein
WER IST DER BEKANNTESTE SKATER, DEN DU SCHON AUFGESCHLITZT HAST?

Kann es sein, dass er schon mal das ein oder andere Game of Skate gewonnen hat? Möglich, sehr möglich.

Wann genau hast du angefangen mit deinem Medizinstudium? Und wann hast du dich entschieden, Metzger…äh Chirurg…zu werden? Das Medizinstudium habe ich im Wintersemester 2003/2004 begonnen. Irgendwie war für mich schon lange klar, dass ich etwas Operatives machen wollte. Ich habe auch schon oft versucht, zu eruieren, warum. Ich bin mir aber immer noch nicht sicher. Ich dachte lange, es wäre, weil der Vater von Batman/Bruce Wayne Arzt war, aber der war ja Internist oder Allgemeinmediziner. Später ist mir eingefallen, dass wir als Kinder oft mit unseren Eltern Abenteuerfilme aus den 70er/80er Jahren angeschaut haben – „Sandokan“ und sowas. Da gab es eine Szene, in der ein Kerl angeschossen worden war und ein anderer ihm mit einem erhitzten Flammendolch die Gewehrkugel aus der Schulter geholt hat. Das hat mich fasziniert. Vielleicht war das der Auslöser. Später kamen natürlich auch verschiedene (Risiko-)Sportarten inklusive eigener Verletzungen dazu. So habe ich mich für die Orthopädie/Unfallchirurgie entschieden.

Im Gespraech-Skatemedic Dr. Alfred Hochrein
ICH WAR DANN ENTTÄUSCHT, WEIL ICH NICHT ZUSCHAUEN KONNTE – STERILITÄTSGRÜNDEN KOMMT DA JA IMMER EIN VORHANG DAZWISCHEN.
Im Gespraech-Skatemedic Dr. Alfred Hochrein

Zähl doch mal deine Verletzungen auf, bei denen du selbst unter’s Messer musstest? 2002 Sprunggelenksluxation links – mit Fixateur versorgt. 2005 vordere Kreuzbandruptur rechts mit Innenmeniskuskorbhenkel – Meniskusnaht und vordere Kreuzbandplastik. 2011 Unterschenkelfraktur rechts – mit winkelstabiler Platte versorgt. 2014 Handgelenkfraktur rechts – auch winkelstabile Platte. Das sind allerdings tatsächlich nur die Verletzungen, wegen derer ich selbst operiert werden musste.

Gibt es eine OP, die du extra nicht unter Vollnarkose gemacht hast, damit du den Eingriff mitverfolgen konntest? Nicht wirklich bewusst so gewählt, aber die OPs 2002 und 2005 waren unter Spinalanästhesie (Betäubung von der Lendenwirbelsäule abwärts). Da war ich dann aber eher enttäuscht, weil ich nicht zuschauen konnte – aus Sterilitätsgründen kommt da ja immer ein Vorhang dazwischen.

Im Gespreach-Skatemedic Dr. Alfred Hochrein
JEDER MUSS FÜR SICH SELBST ENTSCHEIDEN, WIEVIEL LEBENSQUALITÄT ER BEREIT IST AUFZUGEBEN, UM LÄNGER ETWAS VON SEINEN GELENKEN ZU HABEN.

Also sieht man letztendlich nur das zu operierenden Körperteil? Als Operateur ja – wir decken das immer so ab, dass wirklich nur der zu operierende Bereich frei liegt. Als Patient sieht man, sofern man keine Vollnarkose hat, nur ein grünes Tuch.

Früher hat man nach einer schwereren Verletzung meistens den Satz gehört: „Sie können nie wieder Skateboard fahren oder Sport machen“. Woher kam denn diese Einstellung? Und wie stellst du deine Patienten auf die Zeit nach der OP ein? Diese Einschätzungen kommen noch aus einer Zeit, als der sportliche Anspruch oder Aktivitätsanspruch der Bevölkerung noch nicht so groß war, wie heute. Früher haben das die Patienten meist akzeptiert. Heute geht das kaum mehr, weil Aktivität, Mobilität und Sport auch in der Gesellschaft einen sehr hohen Stellenwert haben. Allerdings hören Skateboarder das trotz allem noch von vielen Ärzten, weil denen der Zugang und Bezug zur Sportart fehlt. Die wissen oft nicht, wie aktiv und ambitioniert Skater das betreiben und was für eine hohe „Trainingsintensität“ dahinter steckt. Gerade weil die Skateboarder aber auch ein sehr hohes Aktivitätsniveau haben, ist die postoperative Nachbehandlung nicht ganz einfach – meist bedeutet es halt doch einige Monate Pause. Wichtig ist es aber, ob Skateboarder oder nicht, 1. das individuelle Aktivitätsniveau zu analysieren und 2. ganz offen über die notwenigen Ruhezeiten zu sprechen. Wenn man mit dem Patienten zusammen einen guten Reha-Plan erarbeiten kann, ist ein viel besserer Erfolg zu erwarten. Und um nochmal auf die erste Frage zurückzukommen: Es gibt tatsächlich Verletzungen, bei denen man weiß, dass es langfristig nicht gut sein wird, eine bestimmte Sportart weiter zu betreiben, weil beispielsweise Folgeschäden drohen. Das muss man auch einfach offen thematisieren. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wieviel Lebensqualität er bereit ist aufzugeben, um länger etwas von seinen Gelenken zu haben.

Im Gespraech-Skatemedic Dr. Alfred Hochrein

Ist Skateboarding generell eine schlechte Sportart für die Gelenke? Mindestens so schlecht wie Fußball, Squash oder alpines Skifahren. Wobei man das schlecht verallgemeinern kann, da es ein sehr facettenreicher Sport ist. Es kommt, denke ich, sehr darauf an, wie und was man fährt. Wenn man so wie wir als ältere Herren Minirampe fährt, ist das sicher nicht so belastend wie bei den Street Dogs, die an großen Stufensets, Rails und Gaps Impact fressen ohne Ende. Wobei die repetitiven Stoß- und Rotationsbelastungen beim „gemäßigten“ Streetskaten für den Knorpel sicherlich auch nicht so toll sind. Natürlich sind das alles nur Vermutungen anhand von Wissen aus anderen Gebieten. Mir sind nämlich zu diesem konkreten Thema leider keine aktuellen Studien bekannt.

Was erwartet einen im Alter, wenn man so eine Rail- und Stufenkarriere hinlegt wie Jamie Thomas? Das ist eine interessante Frage, die ich mir auch schon länger stelle. Da Skateboarding trotz allem noch eine sehr junge Sportart ist, mehr noch das Streetskaten, gibt es noch nicht so viele, die in einem Alter sind, in dem man sich das anschauen könnte. Grob dürfte es sich aber schon mit anderen Profisportlern vergleichen lassen, z.B. Skirennläufer oder Fußballer, die im Alter dann doch recht verschlissene Gelenke haben. Sicherlich auch etwas früher, als ohne diese körperlichen Belastungen.

Beschreib uns doch mal aus medizinischer Sicht, was im Körper so abgeht, wenn man sich 60 Mal ein 10er Stufenset runterschmeißt. Die ersten paar Male passiert wahrscheinlich nicht so wahnsinnig viel, sofern man sich gut aufgewärmt hat. Mit der Zeit und den Versuchen ermüdet die Muskulatur, die die Gelenke teils aktiv stabilisieren kann. Dann kommt es zunehmend zu kleinsten Verletzungen der Muskelfasern, die man am nächsten Tag als Muskelkater spürt. Je mehr die Muskulatur ermüdet, desto mehr Stabilisierung muss von passiven Strukturen wie Bändern und Knochen getragen werden. Diese „ermüden“ auch zunehmend, was mit steigender Verletzungsgefahr einhergeht. Aus dem Gelenkknorpel wird durch die wiederholten Stöße die Flüssigkeit gedrückt, dadurch sinkt die Dämpfungsfunktion – Knorpel und darunter liegender Knochen können Schaden nehmen. Insgesamt ist es eine gefährliche Kombination aus wiederholten Belastungen, die der Körper gerade noch so aushält und dem Risiko für Belastungen, die über die mechanische Stabilität der Strukturen hinaus gehen.

Im Gespraech-Skatemedic Dr. Alfred Hochrein

So Leute, ihr habt es gehört. Dr. Alf empfiehlt ausdrücklich die Tricks an Stufen und Rails First Try zu stehen! Was hältst du von den legendären Eiswasserbädern vom Boss (Andrew Reynolds) nach einer harten Moshersession? Im Profisport wird das recht viel gemacht, wobei es nicht unumstritten ist. Man kann dadurch wohl Muskelschmerzen und Muskelkater minimieren. Es bremst scheinbar aber auch die definitive Regeneration des Gewebes. Probiert habe ich es selbst noch nicht. Es sei denn, es zählt, wenn man nach dem Skaten Eisbachsurfen geht!?!

Ich glaub’, es zählt nicht, da du ja noch ‘nen Neo anhast! Meistens.

Wenn Deutschland ein Olympisches Skateboard Team stellen sollte, wärst du dann der Mannschaftsarzt? Ja, allerdings möchte ich mich ungern auf eine Diskussion einlassen, ob Skateboarding olympisch sein sollte oder nicht. Es soll ja Leute geben, denen missfällt gar der Begriff „Mannschaft“ im Zusammenhang mit Skateboarding.

Also, Doktor Alfred Wohlfahrt, hast du noch ein paar gute medizinische Tipps für unsere Leser? Haha…dann doch lieber einfach “Dr. Alf“! Naja, insbesondere die harten Tricks am besten First Try stehen hatten wir ja schon gesagt. Ansonsten – leidiges Thema – aber aufwärmen und ein bisschen stretchen oder zumindest mit dem Fahrrad zum Skatespot fahren oder pushen. Das lohnt sich echt und gegebenenfalls mal den geschundenen Körper über ‘ne Blackroll ziehen. Hört sich immer blöd an, aber ihr dürft nicht vergessen, dass ihr mehr „trainiert“ als die meisten Freizeitsportler und man kann so doch die ein oder andere Verletzung vermeiden. Wenn‘s doch passiert, einfach mal vorbei schauen!

Jetzt darfst du noch Grüße loswerden! Grüße gehen insbesondere an meine Frau und meine Familie – danke für den Support über all die Jahre! An alle meine Skate-Buddies, Surf-Buddies, Bike-Buddies, Snow-Buddies, die Jungs in den core Skateshops. Last but not least an Skateboarding, ohne das ich nicht da wäre, wo ich bin und ich nicht der wäre, der ich bin

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