Im Gespräch mit Willow

IM GESPRÄCH

C H R I S T O P H

MIT WILLOW

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IM GESPRÄCH MIT WILLOW

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Interview – Andreas Huber | Skate / Lifestyle Fotos – Vasilis Barahanos | Artwork Fotos– Christoph Wildgrube | Work Fotos – Nicole Wildgrube

Interview – Andreas Huber
Skate / Lifestyle Fotos – Vasilis Barahanos
Artwork Fotos– Christoph Wildgrube
Work Fotos – Nicole Wildgrube

Hej Willow, schön, dass du Zeit und Bock auf das Interview hast. Falls es jemanden gibt, der dich nicht kennt, stell dich doch mal standardmäßig vor.

Jo, mein Name ist Christoph Wildgrube, aber alle kennen mich unter dem Namen „Willow“, da ich den schon habe, seit ich sechs Jahre alt war. Ich bin Pro-Skateboarder, im Osten in Ludwigsfelde geboren und dann nach Berlin gezogen. Mittlerweile wohne ich jedoch in Köln. Inzwischen bin ich 34 Jahre alt und habe eine Frau und zwei Kinder. Naja und meine Wohnsituation lässt sich als Haus mit Garten beschreiben (lacht).

 

Du gehörst ja zu den Leuten, die es tatsächlich geschafft haben, Pro in den USA zu werden. Wie kommt man als Junge aus dem Osten auf die Idee zu skaten? Und vor allem: Wie wurdest du dann Pro?

Puh, keine Ahnung! Der Junge aus dem Osten wurde super von seinen Eltern erzogen. Die haben mich immer bei allem unterstützt und mir viele Freiheiten gelassen. Dadurch konnte ich dann schon mit sieben Jahren anfangen zu skaten. Nebenbei habe ich von meinem Vater Boxen und Leichtathletik gelernt. Das hat beides dazu beigetragen, verlässlich zu sein. Später half mir das dann viel bei den Sponsoren. Denen bin ich immer motiviert entgegengetreten. Dadurch konnte ich dann in den USA Fuß fassen. Auf der anderen Seite des Teichs sind die Leute einfach nicht an Pünktlichkeit gewöhnt. Die deutschen Tugenden halt (lacht). Nein, aber mir hat es immer viel geholfen, ich selbst zu sein. In die USA kommt man nur mit viel Durchhaltevermögen und Motivation. Man muss immer an sich selbst glauben. Tatsächlich war es aber nie wirklich mein Ziel professionell zu skaten.

Klar habe ich als 12-Jähriger vor Skate-Videos gesessen und mir dann gedacht: „Boa, ich will auch nach Amiland und Pro werden“. Kindheitsträume halt. Ich hatte viel Glück und dafür bin ich auch sehr dankbar.

Wird man als Deutscher dann von den US-Teammitgliedern akzeptiert oder sind die eher skeptisch?

Also das war so: Ich bin damals in die USA gereist, um dort mit den europäischen Pros, die dort bereits Fuß gefasst hatten, zu skaten. Flip oder Geoff Rowley, zum Beispiel, habe ich erst in den Staaten kennen gelernt. Die waren da auch schon richtig etabliert und wenn du mit den beiden an einem Spot auftauchst, bist du für einen Amerikaner auch gleich eine große Nummer. Ich habe mit den Jungs dann relativ gebrochenes Englisch gesprochen, was alle ganz witzig fanden. Aber ich glaube, Sympathie spricht einfach für sich. Wenn man ein offener, glücklicher und positiver Mensch ist, dann kann man gar nichts falsch machen. Ich hatte nie Probleme irgendwo. Klar hatten die Ami-Jungs manchmal andere Ansätze, aber ich weiß auch, wann ich ruhig sein muss. Man muss ja nicht immer seinen Senf dazugeben. Gut schweigen ist auch viel wert (lacht).

Du hast ja da einen recht guten Blick über die Jahre bekommen. Wie hat sich das Skate-Business für dich in den letzten Jahren so entwickelt?

Oh, da hat sich durch die sozialen Medien richtig viel verändert. Ich finde, dass die sozialen Netzwerke total klasse für Leute sind, die keine Sponsoren haben, irgendwo im „Ghetto“ sitzen und super gut skaten.

„Ich wollte nur einmal rauslassen, woher ich komme und zeigen, wie Skaten eigentlich funktioniert“

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Die können ihre Tricks einfach mit ihrem Handy aufnehmen und  sofort online stellen. Dadurch haben sie dann auch eine Chance, etwas vom Kuchen ab zu bekommen. Wenn sie Glück haben, kriegen sie direkt ein Hook-Up. Anders sieht das bei Leuten aus, die gesponsert sind oder Projekte vor sich haben. Nehmen wir mal Skater, die für das Etnies-Video fahren. Die können ja nicht jeden Tag nur für das Internet Nollie-Flips die Zwölfer-Stufen runter machen. Wenn man auf Instagram allerdings nicht jeden Tag Sachen postet, kommt man leider schnell in Vergessenheit. Dann denken die Leute direkt, dass man raus aus dem Game sei, was aber einfach nicht der Fall ist. Man nimmt einfach seine Verpflichtungen gegenüber den Sponsoren wahr. Es ist schlecht, sich für Instagram aufzubrauchen, weil man anschließend für das eigentliche Projekt oder den Video-Part gar kein Gas mehr geben kann. Dadurch, dass das alles so schnelllebig geworden ist, wollen die Leute immer schneller immer mehr sehen. Ein Pro-Skater wie ich kriegt so etwas aber kaum auf die Beine gestellt, weil ich auch noch meine Familie zu managen habe. Zumal die Sachen, die du postest, dann auch gut sein müssen, weil eben Jungs da draußen sind, die nicht gesponsert sind, Laserflips die Dreizehner runtermachen und hochladen. Hätte ich keine Verpflichtungen den Sponsoren gegenüber, würde ich das auch so machen und mich irgendwelche Stufen runterjagen. Ich bin gespannt, ob es in Zukunft überhaupt noch Full-Length-Videos gibt oder ob sich alles auf Instagram abspielen wird. Allerdings bin ich einer von der alten Schule und setze mich gerne klassisch vor den Fernseher mit einer DVD. Full-Lengths waren für mich immer das A und O und die pure Motivation.

Wie hat sich dein Skaten im Speziellen in der letzten Zeit verändert? Du hast ja von Gaps auf Trannys geswitcht.

Ja, das kommt auf jeden Fall mit dem Alter. Ich wähle mittlerweile weise, welche Fights ich auf der Straße austrage und hau’ mich jetzt nicht mehr jede Zehnerstufe just for fun mit einem Nollieflip hinunter. Das kann ich mir auch gar nicht mehr wirklich erlauben. Tatsächlich hält das mein Körper nicht mehr so easy aus. Ich guck schon ein bisschen auf den Spot. Wenn er schön aussieht und ich sage: „Woa, das könnte sich lohnen, der Spot ist geil“, dann gehe ich los. Aber normalerweise bin ich die Woche über immer nur im Skatepark und versuche dort fit zu bleiben. Dafür gehe ich mich dann am Wochenende zerstören und filme fürs Web und natürlich auch fürs Video. Wir sitzen ja gerade noch am Etnies-Video und da haben wir noch einiges zu drehen.

 

Du wirst ja nicht ewig auf dem Deck stehen können. Was ist der Plan für danach? Schaffst du dir schon ein zweites Standbein?

Klar bin ich da dran. Jeder Fußballspieler weiß, dass es irgendwann einmal nicht mehr geht. Als Skater weiß man das auch. Man stellt sich die Frage, wann der Punkt kommt, an dem man den Jüngeren Platz machen möchte, an dem man eben nicht  mehr das komplette Budget für sich behält, sondern auch einen Teil zur Verfügung stellt, um den Nachwuchs zu pushen. Natürlich fragt man sich, was danach kommt. In meinen Verletzungs-Phasen habe ich schließlich angefangen, aus alten Decks Holzarbeiten zu gestalten. Das wird gerade eine Art zweites Standbein für später.

„Wenn man auf Instagram allerdings nicht jeden Tag Sachen postet, kommt man leider schnell in Vergessenheit“

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Wie kamst du zu deinem Spitznamen oder Hashtag „thegermanhammerking“? Kam das durch das Skaten oder durch deine Holzarbeiten?

Das war ziemlich lustig. Oliver Bartens vom Transwold-Magazin hat damals auch für Etnies gearbeitet und war dort der Haus- und Hof-Fotograf. Er hatte mir ein Video gezeigt, in dem ein Typ auf Youtube mit Hämmern jonglierte und Nägel in die Decke schlug. Nach dem Video meinte er zu mir: „Das bist du für mich!“ (lacht). Das kam daher, weil es immer, wenn ich mit ihm in Amerika unterwegs war, richtig geknallt hat. Wir haben jedes Mal viele Fotos gemacht und auch die Tricks haben meistens gut geklappt. Er hat mir die besten Spots – meistens Stufen und Gaps – gezeigt und dann hat es halt einfach „gehämmert“, meinte er. Für ihn war ich deshalb der „Hammerking“. Das german hat er dann hinzugefügt und seitdem hab’ ich den Ruf weg (lacht). Den Spitznamen hab’ ich mit nach Deutschland genommen und als Hashtag eingeführt. Es ist witzig, dass der Name gleichzeitig so gut zu meinen Holzarbeiten passt. Auf Holz hämmert man ja auch oder man sägt es in Stücke. Dann habe ich den Namen gleich für beides benutzt (lacht).

 

Jetzt haben wir schon ein bisschen was von deinen Holzarbeiten anklingen lassen. Du verarbeitest ja alte Skateboards künstlerisch weiter. Hattest du dafür schon immer ein Faible oder wie bist du auf die Idee gekommen, mit Holz zu arbeiten und zu handwerkeln?

Schon da, wo ich aufgewachsen bin, habe ich als Kind immer Praktika beim Schreiner gemacht.

Dort durfte ich zum Schluss Türen und Fenster restaurieren, ausbauen, einbauen und konnte immer gut beobachtet, wie das die Gesellen machen. Ich fand das Arbeiten mit Holz schon früher klasse. Eigentlich wollte ich immer Stühle, Terrassenmöbel und so Zeug bauen. Als ich dann mal verletzt war, hat mir meine Frau ein Möbelstück gezeigt, das ich dann nachgebaut habe. Dadurch habe ich das Handwerken irgendwie für mich entdeckt. Ich konnte dann gar nicht mehr aufhören. Das war für mich, wie einen Kickflip eine Dreizehner runter zu machen. Zumindest fühlte es sich fast genauso an, als ich dieses Werkstück vollendet hatte und es dastand.

 

Die meisten deiner Kunstwerke entstehen ja aus alten Decks. Was hat dich dazu gebracht, dein eigentliches Arbeitsgerät neu zu verarbeiten?

Mein Schwiegervater meinte irgendwann einmal zu mir: „Du hast so viele Boards, aber du kaufst dir immer Holz. Wieso machst du nicht etwas aus den kaputten Skateboards?“. Ich habe zuerst einmal das Objekt „Board“ an sich betrachtet und versucht, daraus irgendetwas zu machen. Durch Nose und Tail ist es aber mega schwer etwas Gerades zu bauen. Irgendwann kam ich dann auf die Idee, eines der Bretter zu filetieren und in Streifen zu schneiden. Dabei habe ich das erste Mal gesehen, was diese eingefärbten Ahorn-Schichten für schönes Holz und was das für schöne Farben sind. Damit stehen einem Möglichkeiten für ganz viele neue Sachen offen.

„Irgendwann kam ich dann auf die Idee, eines der Bretter zu filetieren und in Streifen zu schneiden“

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Was gibt dir denn das Arbeiten mit Holz, was dir Skateboarden nicht gibt?

Uhhh. Poa, schwierig (lacht). Wenn ich einen Tag lang geskatet bin, habe ich den Trick zwar auf der Kamera und etwas geschaffen, aber irgendwie kann ich das danach nicht mehr anfassen. Angucken kann ich mir das später zwar noch einmal auf Video, aber wenn ich einen Tisch, Stuhl oder ein Bild fertige, habe ich etwas geschaffen, was für immer da sein wird. Klar wird der Trick für immer da sein, aber ich kann ihn nicht in die Hand nehmen und nicht noch einmal fühlen. Holz ist ein Objekt, da ist das etwas anderes.

 

Ist das dann auch ein Ausgleich vom Skaten für dich?

Ja, auf jeden Fall. Wenn ich vom Skaten die Schnauze voll habe, dann hänge ich das Board erstmal für einen Tag an den Nagel und setze mich an den Schreibtisch zum Zeichnen. Danach gehe ich in die Werkstatt und versuche, die Zeichnung umzusetzen. Wenn mir dann irgendwann die Werkstatt wieder zum Hals heraushängt, muss ich mein Board wieder nehmen und raus zum Skaten. Beides gleicht sich sehr schön gegenseitig aus.

 

Gibt es dann eigentlich irgendwelche Parallelen zum Skaten für dich, wenn du in der Werkstatt arbeitest?

Darüber habe ich mir noch nie wirklich Gedanken gemacht. Naja, ich verwende mein eigentliches Arbeitsgerät wieder als Werkstoff für meine Holzarbeiten. Daher gibt es da schon eine Parallele, zumindest was das betrifft. Auch der Geruch ist derselbe. Wenn ich an meinem Board rieche, noch bevor das Griptape drauf ist, dann riecht das noch frisch. Gehe ich in die Garage, riecht das fast genauso. Da liegen die alten Boards ohne Griptape herum und erinnern mich an ein neues Board. Da besteht definitiv eine Verbindung – im Objekt und am Geruch (lacht).

Du brauchst ja sicher viele Boards für deine Arbeiten. Wo bekommst du die her?

Wenn ich auch Tour gehe, dann komme ich mit mehr Boards nach Hause, als ich mitnehme. Meistens habe ich dann auch Übergepäck und bezahle extra, weil jeder, der auf Tour ist, vier Bretter dabei hat. Sowohl Teamkollegen als auch Freunde hier in Köln bringen mir zum Teil mehr als 10 Boards auf einmal vorbei. Die kriegen von mir dann kleine Aufmerksamkeiten, wie ein Schneidebrett oder ein Bild, geschenkt. Hauptsache, sie haben Freude daran. Genug Material zum Schreinern ist also immer da.

 

Du betreibst ja eigentlich Upcycling mit den alten Decks. Ist dir das auch ein Anliegen oder bringt das der Werkstoff einfach mit sich?

Die Nachhaltigkeit an meinen Arbeiten ist mir schon sehr wichtig. Ich versuche in meinen Kunstobjekten auch immer die zerbrochenen Boards mit einzuarbeiten. Man soll die Splitter an den Bruchstellen schon noch sehen können. Ich möchte den Leuten bewusst machen, dass auch kaputte Sachen durchaus schön sein können. Die Teile der Bretter, die noch intakt sind, werden richtig angeschliffen, zwischengeschliffen und geölt. Dann fangen sie richtig das Leuchten an und das ergibt wiederum ein sehr schönes Bild.

 

Du hattest ja sogar mal ein Kollabo-Stück mit Chris Haslam. Wie kam’s denn dazu?

Das war richtig cool (lacht). Chris ist ja ein guter Freund von mir. Er hat mich zuhause besucht. Chris ist gerade auch richtig am Künstlersein (lacht). Er hat momentan voll Bock zu zeichnen.

„Ob das jetzt Kunst ist, kann ich selber nicht genau sagen“

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Daher habe ich ihn gefragt, ob wir denn nicht aus meinen alten Sägeblättern zusammen etwas machen wollen. Ich kümmerte mich um die Sägeblätter, habe sie also lackiert und mit Farbe bespritzt und er hat um die Farbspritzer herum gezeichnet. Das Sägeblatt wurde direkt nach zehn Minuten verkauft. Echt krass! Das hat auch zur Folge, dass ich bei der nächsten Ausstellung definitiv mit ihm zusammenarbeiten möchte. Er wird in Zukunft auch des Öfteren nach Deutschland kommen, um bei mir zu chillen.

 

Wer kauft denn eigentlich deine Kunstwerke? Sind das typische Skater oder auch Kunstinteressierte?

Also ich hatte auch schon Anwälte als Kunden, aber die sind eigentlich bunt gemischt. Zum Teil kaufen größere Firmen bei mir ein, aber auch Skater. Natürlich unterstützen mich Freunde und Bekannte, sowie meine Schwiegereltern. Es ist ja nicht so, dass jedes Bild 150 Euro kostet, ich habe auch günstige Sachen für 12 Euro im Angebot. Wirklich ums Geldverdienen geht es mir sowieso nicht. Im Grunde genommen bin ich ja kein Künstler, sondern mehr ein Handwerker. Was ich da mache ist Handwerk, das mit Skateboards zu tun hat. Ob das jetzt Kunst ist, kann ich selber nicht genau sagen. Mir macht es auf jeden Fall Spaß und es freut mich, wenn sich jemand meine Sachen an die Wand hängt.

 

Wo arbeitest du? In deiner Garage oder hast du eine Werkstatt gemietet?

Ich hatte einmal angefangen, alles in meiner Garage zu machen, aber da habe ich Ärger von meiner Frau bekommen, weil alles eingestaubt ist. Sie hat mich quasi aus meiner eigenen Garage geworfen (lacht). Zum Glück hat mir ein Nachbar seine Garage vermietet. Dort konnte ich dann mein ganzes Werkzeug und die Maschinen unterbringen und kann jetzt in Ruhe arbeiten.

Finger in Kreissäge? Wuot?

Ja, das war für meine zweite Ausstellung und ich war ein bisschen im Zeitdruck. Ein wenig verträumt habe ich die Rahmen für meine Bilder gemacht und nachdem das so eine monotone Arbeit war, habe ich nicht richtig aufgepasst und direkt ins Sägeblatt gefasst. Naja, dann war der Finger tatsächlich ab, zwar nicht ganz, sondern ein Drittel war abgesägt und hing nur noch an der Haut. Zum Glück war es Sommer und ich konnte mir das T-Shirt um die Hand wickeln. Ich stand so unter Schock, dass ich komplett in Ruhe die Maschinen in der Werkstatt ausgemacht und das Tor abgesperrt habe. Dann bin ich in den Bulli gehüpft und ins Krankenhaus gefahren. Dort habe ich direkt in der Einfahrt für Krankenwagen geparkt und ein Typ kam raus und meinte, dass ich da nicht parken dürfe. Daraufhin ich so: „Ey, ich hab’ mir gerade in den Finger gesägt, ihr müsst mich behandeln!“. Ich hätte mich dann erstmal hinsetzen sollen, aber das hab’ ich nicht eingesehen. Er fing an zu diskutieren. Und ich dann nur so: „Nee, kannst du vergessen, aber jetzt guck doch mal!“. Er riss mir das T-Shirt weg und sah meine Hand, woraufhin er ganz weiß anlief und mein Auto für mich wegfuhr. Ich wurde dann auch direkt operiert. Seitdem habe ich wieder mehr Respekt den Maschinen in der Werkstatt gegenüber. Jetzt ist aber wieder alles ok und ich habe ein normales Gefühl in dem Finger.

Wie kamst du darauf, ein Buch zu schreiben? Das ist für dein Alter ja jetzt nicht unbedingt typisch.

Ich wollte nur einmal rauslassen, woher ich komme und zeigen, wie Skaten eigentlich funktioniert. Die Leute auf der Straße erzählen einem immer, wie gut man es doch habe als Pro-Skater. Sie meinen, dass ich meinen Traum lebe.

„Ey, ich hab’ mir gerade in den Finger gesägt, ihr müsst mich behandeln!“

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Daher habe ich ihn gefragt, ob wir denn nicht aus meinen alten Sägeblättern zusammen etwas machen wollen. Ich kümmerte mich um die Sägeblätter, habe sie also lackiert und mit Farbe bespritzt und er hat um die Farbspritzer herum gezeichnet. Das Sägeblatt wurde direkt nach zehn Minuten verkauft. Echt krass! Das hat auch zur Folge, dass ich bei der nächsten Ausstellung definitiv mit ihm zusammenarbeiten möchte. Er wird in Zukunft auch des Öfteren nach Deutschland kommen, um bei mir zu chillen.

 

Wer kauft denn eigentlich deine Kunstwerke? Sind das typische Skater oder auch Kunstinteressierte?

Also ich hatte auch schon Anwälte als Kunden, aber die sind eigentlich bunt gemischt. Zum Teil kaufen größere Firmen bei mir ein, aber auch Skater. Natürlich unterstützen mich Freunde und Bekannte, sowie meine Schwiegereltern. Es ist ja nicht so, dass jedes Bild 150 Euro kostet, ich habe auch günstige Sachen für 12 Euro im Angebot. Wirklich ums Geldverdienen geht es mir sowieso nicht. Im Grunde genommen bin ich ja kein Künstler, sondern mehr ein Handwerker. Was ich da mache ist Handwerk, das mit Skateboards zu tun hat. Ob das jetzt Kunst ist, kann ich selber nicht genau sagen. Mir macht es auf jeden Fall Spaß und es freut mich, wenn sich jemand meine Sachen an die Wand hängt.

 

Wo arbeitest du? In deiner Garage oder hast du eine Werkstatt gemietet?

Ich hatte einmal angefangen, alles in meiner Garage zu machen, aber da habe ich Ärger von meiner Frau bekommen, weil alles eingestaubt ist. Sie hat mich quasi aus meiner eigenen Garage geworfen (lacht). Zum Glück hat mir ein Nachbar seine Garage vermietet. Dort konnte ich dann mein ganzes Werkzeug und die Maschinen unterbringen und kann jetzt in Ruhe arbeiten.

Finger in Kreissäge? Wuot?

Ja, das war für meine zweite Ausstellung und ich war ein bisschen im Zeitdruck. Ein wenig verträumt habe ich die Rahmen für meine Bilder gemacht und nachdem das so eine monotone Arbeit war, habe ich nicht richtig aufgepasst und direkt ins Sägeblatt gefasst. Naja, dann war der Finger tatsächlich ab, zwar nicht ganz, sondern ein Drittel war abgesägt und hing nur noch an der Haut. Zum Glück war es Sommer und ich konnte mir das T-Shirt um die Hand wickeln. Ich stand so unter Schock, dass ich komplett in Ruhe die Maschinen in der Werkstatt ausgemacht und das Tor abgesperrt habe. Dann bin ich in den Bulli gehüpft und ins Krankenhaus gefahren. Dort habe ich direkt in der Einfahrt für Krankenwagen geparkt und ein Typ kam raus und meinte, dass ich da nicht parken dürfe. Daraufhin ich so: „Ey, ich hab’ mir gerade in den Finger gesägt, ihr müsst mich behandeln!“. Ich hätte mich dann erstmal hinsetzen sollen, aber das hab’ ich nicht eingesehen. Er fing an zu diskutieren. Und ich dann nur so: „Nee, kannst du vergessen, aber jetzt guck doch mal!“. Er riss mir das T-Shirt weg und sah meine Hand, woraufhin er ganz weiß anlief und mein Auto für mich wegfuhr. Ich wurde dann auch direkt operiert. Seitdem habe ich wieder mehr Respekt den Maschinen in der Werkstatt gegenüber. Jetzt ist aber wieder alles ok und ich habe ein normales Gefühl in dem Finger.

Wie kamst du darauf, ein Buch zu schreiben? Das ist für dein Alter ja jetzt nicht unbedingt typisch.

Ich wollte nur einmal rauslassen, woher ich komme und zeigen, wie Skaten eigentlich funktioniert. Die Leute auf der Straße erzählen einem immer, wie gut man es doch habe als Pro-Skater. Sie meinen, dass ich meinen Traum lebe.

„Vielleicht war es zu früh, aber ich hatte einfach das Bedürfnis, jetzt schon meinen Senf dazuzugeben“

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Ja, das mache ich, aber wie hart das ist, beziehungsweise, dass das ein richtiger Job ist, realisiert keiner. Viele wundern sich, wie man bei einem Traumjob abends dann doch geplättet zuhause sitzt und sich drei Tage nicht bewegen kann. Da kommen dann immer Sätze wie: „Voll geil, du machst Kohle mit deinem Hobby und kannst die ganze Zeit draußen sein.“ Aber was dahinter steckt und dass das harte Arbeit ist, wissen die Meisten gar nicht. Daher wollte ich das den Leuten in meinem Buch erklären: Mein Leben als Skateboardfahrer, der Geld verdient, um seine Familie zu ernähren sozusagen. Den Weg zu beschreiben und aufzuzeigen, wie weit er war. Mir war auch wichtig, das nicht nur Skatern zu erzählen, sondern auch normalen Menschen. Oft kommen Leute am Skatepark vorbei und gucken böse. Manche sprechen uns sogar an und sagen, dass wir mit Chillen aufhören und lieber Steuergelder bezahlen sollen. So etwas finde ich unverschämt. Auch solchen Menschen wollte ich zeigen, dass wir richtig gute Arbeit leisten und top Leute sind. Uns kann man genauso ernst nehmen, wie jeden anderen, der im Büro jobbt oder auf den Bau geht. Skater wissen ja selbst, wie hart das ist, aber die meisten normalen Leute nicht. Allerdings habe ich ehrlich gesagt keine Ahnung, ob jemand, der nicht aus der Skate-Szene kommt, jemals einen Blick in mein Buch geworfen hat (lacht).

 

Wie lange bist du eigentlich an dem Buch gesessen und vor allem wie fühlt sich das an, über sich selbst zu schreiben? Ich stelle mir das richtig strange vor.

Das ist ein bisschen wie Tiefenpsychologie. Man wühlt sein ganzes Leben noch einmal auf. Es ist komisch, weil dir dabei immer wieder neue Details einfallen, die du bereits verdrängt hattest. Aber es macht auch sehr glücklich. Gleichzeitig dauert es mega lange, so ein Buch zu schreiben, weil einem immer wieder Sachen einfallen, die man unterkriegen möchte oder Dinge dazwischenkommen und man es einfach nicht schafft, sich die Zeit zu nehmen. Es ist schon verrückt, über Dinge zu reden, die passiert sind und aufregend waren. Aber es ist schon ein sehr emotionaler Moment, wenn man das fertige Buch dann in der Hand hält und noch einmal nachliest, was da alles drinsteht. Vielleicht war es zu früh, aber ich hatte einfach das Bedürfnis, jetzt schon meinen Senf dazuzugeben (lacht).

Eine sehr persönliche Frage: Du hattest ja eine Zeit lang mit Angststörungen zu kämpfen. War das Buch auch eine Art Therapie für dich, um das Ganze zu verarbeiten?

Das kam tatsächlich in der Zeit, in der ich das Buch geschrieben habe. Das ganze Thema führte auch dazu, dass ich ein halbes Jahr Pause vom Schreiben machen musste, weil eben diese Angst-Symptome und Burnout bei mir auftraten. Fuck, zwischendurch war das schon richtig hart, da ich überhaupt nicht mit der Therapie weitermachen konnte. Erst zwei Monate nach der Behandlung habe ich wieder angefangen, in meinen Sachen zu wühlen und mich mit meiner Autorin zu treffen. Als wir schließlich wieder am Buch gesessen sind, war das dann tatsächlich eine Art Aufarbeitung. Dabei habe ich ziemlich oft Gänsehaut bekommen. Aber ich muss sagen, ich habe von den Psychologen und Doktoren so viel gelernt, dass ich mittlerweile gut mit den Geschehnissen leben kann, die zu meinen Problemen geführt haben. Das machte es auch leichter, die Dinge im Buch besser darzustellen. Das Kapitel „Angst vor der Angst“ zum Beispiel, das konnte ich nach der Therapie viel besser erklären, als noch davor. Da wäre es mir schwergefallen.

Die klassische Frage in diesem Interview zum Schluss: Was möchtest du der Welt noch mitgeben? Was wolltest du schon immer loswerden?

Macht Kinder! Kinder sind einfach das Beste. Von denen brauchen wir viel mehr! Meine Söhne machen mir immer die meiste Freude. Es ist einfach toll, zu sehen, wie sie sich entwickeln. Also, haltet euch ran: Mehr Kinder! Außerdem: Skaten für immer (lacht), naja oder so lange es geht und genießt jeden Tag! Egal, ob es regnet oder geil ist, genießt das Entspannte am Leben und kümmert euch nicht immer nur um das Hektische.

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